Stress oder Halbtagsjob?

Lehrer – Stress pur oder Halbtagsjob?

Auf einer kleinen Party. Unterhalte mich gerade angeregt mit einer Unbekannten über alles Mögliche. Plötzlich taucht die Frage auf, was ich eigentlich beruflich mache. “Lehrer also? Na, dann hast du ja Nachmittags immer viel Zeit und dazu noch Ferien. Muss toll sein.”

Die eine Seite

Genau. Toll. Im wahrsten Sinne des Worts. Verrückt trifft es eigentlich besser.

Klausuren und Noten

Wer beispielsweise um die Weihnachtszeit Lehrer ist, hat in der Regel über seine wohl verdienten Weihnachtsferien drei bis vier Stapel Klausuren liegen, die einen anschreien und die korrigiert werden wollen. Außerdem sind nach dem unverschiebbaren Betriebsurlaub auch Halbjahreszeugnisse angesagt. Noten müssen also erstellt, pädagogisch durchdacht und verkündet werden. Wobei das Verkünden selbst schon eine Disziplin für sich ist. Schüler schätzen sich meist entweder viel zu schlecht oder viel zu gut ein und die Notenvergabe kann damit sehr schnell emotional tränenreich, zeitraubend und einfach nur nervig sein, weil niemand damit wirklich zu 100% zufrieden ist. Eine der blödesten Aufgaben eines Lehrers also. Ich hasse es Noten zu geben.

Konferenzen, Projekte und Organisatorisches

Eine Sache, die sonst vielleicht untergeht: dazugehörige Konferenzen. Innerhalb von drei bis vier Wochen ist man also täglich bis ca. 17 Uhr in der Anstalt. Bedenkt bitte, dass danach noch Korrekturen und Vorbereitungen laufen müssen, bevor ihr über den “Feierabend” meckert.

Ganz nebenbei gibt es noch Projekte, in denen man aktiv sein muss. Wer beispielsweise im Zeugnisteam tätig ist, weiß, wovon ich rede. Dazu gibt es noch Prüfungen die erstellt und deren Deadlines immer näher rücken, Fortbildungen, die geplant, Lehrpläne, die besprochen, Elterngespräche, die geführt sowie Wandertage und Studienfahrten die geplant werden wollen. Nebenbei. Dazu wird man zu allerlei Sonderaufgaben eingeteilt, wenn man nicht schnell genug “nein” sagt. Zugegebenermaßen bin ich an Letzterem selbst schuld. Wenn man sich ein bisschen mit Technik auskennt, ist man für einige sein Gewicht in Gold wert. Kurshefte wollen übrigens auch noch fertig gestellt werden, damit die Akten stimmen. Allein die Verantwortung, dass die Kids genau das Lernen, was sie fürs Leben einmal brauchen (von der Abschlussprüfung fange ich gar nicht erst an), ist nur noch das Tüpfelchen auf dem i.

Im Prinzip ist diese Zeit geprägt vom blinden Jonglieren sehr vieler Bälle Kettensägen gleichzeitig. Während man auf einer spiegelglatten Kugel balanciert, die brennend und mit immer größer werdender Geschwindigkeit Richtung Abgrund rollt. Dabei schießen aus verschiedenen Richtungen Scharfschützen auf dich. 

Die andere Seite

“Da hast du Recht. Und ich liebe meinen Job wirklich. Kann mir nichts Besseres vorstellen”, höre ich mich freudestrahlend sagen.

Denn – ganz ehrlich – es ist so. Ich würde ihn für keinen Job in der Welt eintauschen. Klar: es ist manchmal echt hart. Natürlich haben wir ab und zu anstrengende Klassen, Klausur- und Prüfungskorrekturen, die ganze Wochen und Wochenenden an “Freizeit” rauben, nervige Schüler, sinnlose Konferenzen, noch sinnlosere Fortbildungen, Stress mit Kollegen oder der Schulleitung und gefühlte 200 Baustellen gleichzeitig.

Jedoch gibt es auch ein (richtig fettes) Aber. Und genau in diesem Aber stecken mögliche Ressourcen, die man als Lehrer vielleicht nicht immer wahrnimmt und die viele einfach ausblenden.

Unsichtbare Ressourcen

  • Ein Schüler kommt beim Abschlussball zu dir uns sagt, dass du einer der Lehrer warst, bei dem er viel gelernt und dem er viel zu verdanken hat.
  • Fast die ganze Klasse meldet sich, um die Hausaufgaben vorzutragen oder hält geniale Präsentationen, erstellt Videos und Vorträge, auf die sie stolz sein können.
  • Obwohl vorher gemeckert wurde, fällt der Test viel besser aus, als du erwartet hattest.
  • Ein Kollege schwärmt im Lehrerzimmer von deiner Klasse.
  • Ein Kollege kommt auf dich zu und sagt dir, dass du einen tollen Job machst und du als Mensch für die Schüler wertvoll bist.
  • Wenn (und das soll tatsächlich schon mal irgendwo jemandem passiert sein) ein Schulleitungsmitglied deine Arbeit schätzt
  • Eltern sagen dir beim Elternsprechtag, dass sie dich einfach einmal kennen lernen wollen, weil ihr Kind von deinem Unterricht oder deiner Person erzählt hat.
  • Oder auch ganz einfach wenn du im Unterricht brennst und du deine Schüler damit begeistern kannst.

Zeitmanagement und Lernen

Und mal ehrlich: wir haben wirklich Ferien. Wir haben Nachmittags zwar theoretisch immer etwas zu tun, können aber selbst entscheiden, wann wie es anfangen und wie tief die Vorbereitungen gehen müssen. Auch im Unterricht müssen wir nicht immer 120% geben. Wenn man geeignete Materialien und Aufgaben schafft, kann man auch im Unterricht mal abschalten oder organisatorischen Kram erledigen. Natürlich nicht immer, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, warum nicht? Ab und an haben wir also wirklich einen Halbtagsjob.

Wir können täglich von unseren Schülern etwas vollkommen Neues lernen. Nicht nur fachlich (denn das passiert mir in fast jeder Stunde heute noch), sondern auch menschlich für unsere eigene Entwicklung. Welcher Beruf kann das sonst noch von sich behaupten?

Fazit

Ja, es gibt Zeiten, zu denen ist Lehrer-Sein purer Stress. Da könnte man den Job gut und gern an den Nagel hängen, weil alles zu viel und zu hektisch wird und man das Gefühl hat, dass man das alles sowieso nicht schaffen kann. Dann gibt es jedoch auch sehr viele große und kleine Momente, die ich nicht missen wollen würde. Wochen, in denen man beflügelt und frei Unterricht gestalten kann und das Leben und unterrichten in vollen Zügen genießen kann. Es gibt sogar Wochen und Zeiten, in denen absolut nichts los ist und man tatsächlich ein mal herunterfahren und sich sammeln kann.

Man muss nur lernen, die positiven Dinge zu entdecken, sich darüber zu freuen und sie als Ressourcen zu nutzen, dann schafft man auch die stressigsten Projekte mit einem ernst gemeinten Lächeln und guter Laune im wohl schönsten Halbtagsjob der Welt.

Welche Ressourcen habt ihr? Was nervt euch am Lehrer-Sein am meisten? Lasst es mich wissen!

Ein Kommentar zu „Lehrer – Stress pur oder Halbtagsjob?

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