Iron Man, Spielebetas und Unterrichtsvorbereitungen

Vor einigen Monaten habe ich mal wieder Iron Man geschaut. Ein guter netter Film von Marvel, in der dem Protagonist Tony Stark einen hochentwickelten Anzug nutzt, um Bösewichte auf Eis zu legen. Iron Man startet dabei als recht grobschlächtiger Prototyp aus zusammengeschweißtem Stahl, der mehr aus Schrott, als aus hochwertigen Materialien, notdürftig zusammengeschustert ist. Aber es klappt soweit, dass unser Held sich damit aus gefährlichen Situationen befreien kann. Er funktioniert also. Im Laufe des ersten Films und auch in den weiteren Folgen der dreiteiligen Reihe wird dieser Anzug immer weiter entwickelt und soweit perfektioniert, dass Iron Man schließlich auch den Avengers als Held zur Verfügung steht.

Ich bin weiter ein passionierter Zocker. Dabei spiele ich fast alles, was mir in die Finger kommt und freue mich wie ein Kleinkind auf den nächsten Teil einer von mir geliebten Reihe. Und dann muss ich besonders lieb gewonnene Spiele auch immer am ersten Tag haben und dann möglichst bis in die Nacht hinein spielen. Zugegebenermaßen leidet darunter eigentlich ständig ab und zu ein wenig meine Unterrichtsvorbereitung, wenn mal wieder etwas neues in der Konsole glüht, aber damit muss ich leben. Ich bin Day-One-Käufer. Und mir ist es egal, ob das Spiel soweit schon ausgereift und wirklich fertig oder gar perfekt ist. Spielen kann man es allemal. Viele Produzenten von Software werfen zunächst eine unfertige Beta auf den Markt, die bis auf die Grundfunktionalität oft nicht viel liefert. Warum? Um kurz danach eine Reihe von Patches raus zu bringen, die Kinderkrankheiten beseitigen und das Spielerlebnis Stück für Stück besser machen.

Was haben Iron Man, Spielebetas und Unterricht gemeinsam?

Die Ansprüche an Lehrer sind sehr hoch. Das liegt zum Großteil daran, dass wir schon großartige Arbeit machen und diese auch tatsächlich großartig machen wollen. Das führt dazu, dass wir sehr viel Zeit aufwenden, um unsere Arbeit auch akribisch vorzubereiten und soweit zu perfektionieren, dass absolut alles funktioniert. Viele von uns haben einen so hohen Anspruch, dass ein Arbeitsblatt nicht etwa zu 100%, sondern zu 110% fertig sein muss. Wir basteln solange an Schriftarten, Hilfetexten und ausführlichen Lösungshinweisen herum, dass wir für ein Arbeitsblatt, das im Unterricht vielleicht 20 Minuten in Anspruch nimmt teilweise 4-5 Stunden am Schreibtisch sitzen. Ist das wirklich sinnvoll?

Wir überspringen die Beta-Phase. Fertigen keinen Prototyp an, sondern stürzen uns gleich auf die möglichst perfekte Version. Eine ganz konkrete und fatale Utopie. Und was bringt es? Während des Unterrichtens fällt uns dann auf, dass einige Textpassagen trotz der 5 Stunden Arbeitszeit nicht passen. Dass der Arbeitsauftrag doch nicht so klar war, wie wir vorher dachten. Dass unsere Lernenden den Text nicht verstehen, weil wir Begriffe nutzen, die nicht definiert wurden oder unklar sind. Das heißt, dass wir uns jetzt, nachdem wir das eigentlich perfekte Produkt abgeliefert haben wollen, noch mal ans Reißbrett setzen und alles überarbeiten müssen. Wir stellen jetzt fest, dass wir in 5 Stunden eine unfertige Beta, einen Prototyp hergestellt haben, der einer kritischen Überprüfung durch die Zielgruppe einfach nicht standhält. Das hätten wir auch nach 20 Minuten schon haben können.

Das Pareto-Prinzip

Einige von uns kennen vielleicht das Pareto-Prinzip und genau darum soll es hier gehen. Wenn wir es schaffen, einen funktionsfähigen Prototyp zu erstellen und diesen in einen Beta-Test zu schicken, das Feedback der Schüler einzuholen und danach die Kinderkrankheiten zu beseitigen, steht vielleicht bei der nächsten oder übernächsten Iteration Nick Fury vor uns und lädt uns ein, ein Avenger zu werden.

Angela Watson schreibt darüber in ihrem Blogbeitrag, dass wir zunäöchst ein MVP, ein minimal viable product, erstellen sollten. Also ein Produkt, dass lebensfähig ist. Einen Prototyp, der funktioniert. Alles andere führt zu einem unglaublichen Anstieg an Arbeitszeit, die eigentlich sinnlos ist. Schüler akzeptieren Arbeitsblätter, die “gut genug” sind genau so wie “perfekte” (was immer das heißt). Aber solange ihr an diesem einen Produkt, diesem einen Arbeitsblatt, sitzt, desto weniger Zeit habt ihr für die anderen Dinge, die ihr tun müsst. Macht euch klar, dass Zeit, die ihr in ein Arbeitsblatt steckt, einer anderen Art der Unterrichtsvorbereitung die Zeit nimmt.

Lasst niemals Perfekt den Feind von Gut sein. Meistens reicht auch ein “gut genug”.

Praxis-Tipps

Setzt euch für eure Produkte, die im Unterricht eingesetzt werden, einen klaren Zeitraum, in dem ihr sie erstellt. Wenn ihr merkt, dass die Zeit nicht zur Perfektion reicht, erstellt ein MVP. Wenn dann noch Zeit ist, könnt ihr das alles mit all dem Zeug füllen, was die Perfektion von euch erwartet. Setzt dann das Arbeitsblatt im Unterricht ein, schaut euch an, wo Problemstellen liegen und verbessert Stück für Stück eure Arbeit. Das spart sehr viel Zeit und ist besser, als sich gleich an die Perfektion wagen zu wollen.

Das Ganze gilt im Übrigen nicht nur für Lehrer, sondern auch ebenso für Schüler. Fangt an, fertigt einen Prototyp an und bastelt daran, wenn ihr noch Zeit habt. Zeigt uns, dass ihr etwas schaffen könnt, dass es zu zeigen lohnt.

Lasst niemals Perfekt den Feind von Gut sein. Vergleicht niemals eure Anfänge mit dem Endergebnissen von anderen und findet heraus, was für euch “gut genug” eigentlich bedeutet. Macht euch klar, dass es am Schreibtisch niemals “perfekt” sein kann. Erst, wenn man es im Unterricht ausprobiert, entdeckt man die Stärken und Schwächen und kann geeignet darauf reagieren. Macht erst etwas, das funktioniert und erst dann etwas, das besser funktioniert.

Wer von euch mehr darüber erfahren will, kann das auf verschiedenen Seiten tun. Der Blogbeitrag von Angela Watson ist ein guter Start, aber es gibt auch sicher mehrere andere Stellen, an denen man anknüpfen kann.

Was sind eure Erfahrungen mit Unterrichtsmaterialien? Wie viel Zeit braucht ihr zur Vorbereitung? Was ist für euch “gut genug”?

6 Kommentare zu „Iron Man, Spielebetas und Unterrichtsvorbereitungen

  1. Danke für die Zusammenfassung – ich glaube, das mache ich schon so, oder jedenfalls bilde ich mir das jetzt jedenfalls ein. Irgendwann ist genug, und Fehler im Arbeitsblatt oder beim Vorgehen muss man sich halt notieren, damit das beim nächsten Mal besser läuft.

    Als Marvel-Fan schon seit sehr früher Stunde muss ich korrigieren: Iron Man schreibt man getrennt, nicht zusammen, wie viele Marvel-Helden – Spider-Man, Ant-Man, Giant-Man. Im Gegensatz dazu DC oft zusammen: Superman, Batman, Aquaman, Hawkman. Trifft Hat historische Gründe, und hat Stan Lee sich damals halt so ausgedacht. (Und DC hat mehr Capes, anderes Thema.)

    • Deinen Kommentar hatte ich schon vor Ewigkeiten genehmigt und wollte auch darauf antworten, aber ich hab es tatsächlich einfach vergessen. Danke, dass du mich auf den Schreibfehler beim Namen aufmerksam gemacht hast, wird sofort geändert! Dieser feine Unterschied zwischen Marvel und DC war mir bisher nicht bewusst gewesen!

      Freut mich übrigens auch, dass du das meiste bisher alles zu machen scheinst 😀 Ich muss an sehr vielen Stellen noch sehr hart daran arbeiten, damit es auch läuft.

  2. Wenn du schon so viele positive Rückmeldungen bekommen hast, wie in deinem letzten Eintrag angedeutet hast, und wenn deine MVPs im Unterricht schon funktionieren, weil du das Notwendige aktuell beisteuern kannst, dann kannst du bestimmt öfter mal auch mit Gamma-Versionen in die Schule kommen oder Beta-Blogbeiträge verfassen und gelegentlich Gamma-Versionen in ein Wiki einstellen, um noch mehr Rückmeldungen zu bekommen.
    Das ist keine Empfehlung, sondern ein Kompliment. Und wenn du in Stress-Zeiten dran denkst, ist vielleicht auch mal etwas nicht ganz so stressig. Es bleibt genügend Stress übrig. So sagt mir meine Erinnerung an inzwischen vergangene Zeiten.

    • Na, diese Rückmeldungen von Schülern, Eltern, Kollegen oder der Schulleitung kommen nur alle Jubeljahre mal 😀 Daran sollte man sich aber dann auch wirklich mal erfreuen und es als Ressource greifen können. Und genügend Stress bleibt zum Glück immer übrig, sodass es nie langweilig wird!

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